Die Jünger kehren nach Jerusalem zurück. Sie tun dies wie immer zu den hohen Festen.
Fünfzig Tage nach Ostern – Pfingsten. Hier haben die Jünger Christi jenes einschneidende Erlebnis.
„Plötzlich kam vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“
So heisst es in der Apostelgeschichte. Fünfzig Tage nach Ostern sind die Jünger nun mit dem Geist der Sendung ausgerüstet. Sie sind bereit, raus auf die Straßen Jerusalems zu gehen und das zu verkünden, was sie erfahren und erkannt haben: Jesus Christus, der Gekreuzigte lebt. Waren zum Fest in Jerusalem bereits Pilger aus vielen Ländern angereist, so ist das erst die Ouvertüre für das, was noch kommt: Gottes Geist selbst wird die Apostel zu den Menschen aller Völker senden. In wenigen Jahren schon werden an vielen Orten christliche Gemeinden sein. Paulus wird nach seiner Bekehrung zum Apostel der Völker. Simon Petrus wird in Rom mit seinem Leben Zeugnis ablegen für das, was er geschaut und erkannt hat.
Es gibt einen guten Grund zu feiern
Soweit die Ereignisse von damals. Es gibt also einen guten Grund, warum wir noch heute zusammen mit Karfreitag und Ostern auch Pfingsten feiern. Dieses Fest zeichnet den Weg vor, auf dem bis heute das glaubende Vertrauen in Gott wächst. Wir haben als wertvollsten Schatz unseres Glaubens das Lebenszeugnis derer, die dabei waren. Die Apostel geben in der Verfolgung ihr eigenes Leben dran für das, was sie an sich erlebt hatten. Am Pfingsttag ergreift der Heilige Geist selbst die Jünger. Er erfüllt jene, die vorher so verängstigt und mutlos waren, mit Mut und lässt sie zu den Menschen sprechen.
Gott sei Dank
Die Mutlosigkeit des Glaubens heute, von der wir so oft sprechen, mag viele Ursachen haben. Und doch erleben auch wir hier und heute Pfingsten: Beispiele für das Wirken dieses Geistes und sein lebendiges Wehen gibt es genug. Im Beispiel der Heiligen, im treuen Glaubenszeugnis von Männern und Frauen, auf der ganzen Welt, auch mitten unter uns. Gott sei Dank. Denn dieses so komplizierte 21. Jahrhundert könnte viel von gläubigen Menschen lernen.
Wo sonst lässt sich das Heilige noch erfahren?
Was kann uns in einer nahezu vollständig digitalisierten Welt noch Sinn und Hoffnung geben?
Welche vermeintlich aus der Zeit gefallenen Rituale könnten eine aufgewühlte Gesellschaft von ihrer Atemlosigkeit befreien?
Und ganz wichtig: Wo muss die Kirche sich erneuern?
Und wo muss sie unbequem bleiben, um eine sich immer weiter beschleunigende Gesellschaft vor sich selbst zu schützen?
Wann ist es eine bessere Welt?
Denn eines ist ja offensichtlich: Der Mensch, der von Gott nichts mehr wissen will, findet nicht, was er sucht; die große Freiheit stellt sich nicht ein. Stattdessen: neue Zwänge, neue Ängste, neue Süchte, Ablenkung statt Trost, kurzfristige Befriedigung statt dauerhafter Erlösung, ein Wettrennen ohne Ziel, mit lauter Verlierern. Man hat uns lange eingeredet, dass die Welt ohne Gott, ohne Glaube ohne Kirche besser, schöner oder gerechter wäre. Ich weigere mich dies zu glauben. Nicht nur am heutigen Pfingstfest. Vielmehr bin ich davon überzeugt, dass viele unserer Probleme nicht über Nacht verschwinden, sie aber doch ihren Schrecken verlieren würden. Nämlich dann, wenn sich wieder mehr Menschen auf die funkelnde Gegenwelt Gottes einlassen würden. Dort, wo alles seinen Platz hat, was sonst an den Rand gedrängt wird, auch das Leise, Unsichere, Unscheinbare. Wo andere Dinge zählen, und andere Gesetze gelten. Wo man aufrichtig hoffen darf, dass das Gute belohnt und das Böse bestraft wird. Wo sich eine Liebe erfahren lässt, die von keiner Kränkung bedroht ist. Wo man keine Angst vor dem Sterben haben muss, weil ein anderer vor zweitausend Jahren für uns gestorben ist.
Hoffnung, ein Geschenk des Heiligen Geist
Unser Glaube ist diese Gegenwelt, eine Unterbrechung des Alltags, ein Wechsel der Perspektive, eine Sphäre der Hoffnung. Diese Hoffnung, liebe Gemeinde, diese Hoffnung schenkt der Heilige Geist. Dieser Geist, ist der Beistand der Kirche. Er begleitet sie durch die Jahrhunderte bis heute und bleibt ihr trotz aller menschlichen Schwächen treu. Dieser Geist ist es, der uns aus verschlossenen Kammern zu den Menschen führt, die auf unser Zeugnis warten. Dieser Geist schenkt uns auch jene unerschütterliche Überzeugung, dass auch die Generationen, die nach uns kommen, den Glauben leben und ihn weitergeben werden, überzeugend und mutig, im Heiligen Geist.
Matthias Westermann, Diakon