Warum es gut ist, (noch) keinen Bischof zu haben Geschrieben am

Seit einiger Zeit nun warten alle gespannt auf die Verkündung des neuen Bischofs in Chur. Doch bis heute wurde kein passender Kandidat für das Amt gefunden. Diakon Matthias Westermann äussert sich in einem Kommentar zur Bischofskrise in Chur.

Früher war es eine Ehre, für das Bischofsamt angefragt zu werden

Bischof Peter Bürcher unter Beschuss

Bischof Peter Bürcher mag es in manch stiller Stunde wohl schon bereut haben, vor über einem Jahr dem Auftrag von Papst Franziskus gehorsam gewesen zu sein und als Apostolischer Administrator das Bistum Chur bis zur Wahl eines neuen Bischofs zu übernehmen. Was sich in den vergangenen Monaten und bis heute rund um den (vakanten) Amtssitz des Churer Bischofs abspielt, ist ein Lehrstück von gescheiterter Kommunikation, persönlichem Unvermögen und selbstgerechten Machtspielen, dass es einem für die Zukunft des Bistums wieder einmal Angst und Bang werden muss.

Kein Wunder findet sich kein einziger Priester weit und breit, der das Amt des Diözesanbischofs übernehmen könnte oder möchte. Offensichtlich hat der Nuntius schon mehrere Personen angefragt und einige Listen nach Rom gesandt. Doch moderate Kandidaten, die zwischen den verhärteten Fronten vermitteln könnten, die die notwendige Nervenstärke und geistliche Kompetenz für das Bischofsamt hätten, winkten wohl dankend ab. Sie bleiben lieber in ihren Pfarreien oder anderen Ämtern. Galt es in früheren Priestergenerationen noch als Ehre und als die Krönung eines Priesterlebens, zum Bischof berufen zu werden, verschreckt heute die Aussicht, im bischöflichen Schloss vielleicht über Jahrzehnte von allen angefeindet zu vereinsamen und letztendlich nichts bewirken zu können.

Man wünscht sich einen Wandel

Akteure in dieser unguten Szenerie gibt es mehr wie genug. Aber gelernt aus den Krisenjahrzehnten unter Bischof Wolfgang Haas und Bischof Vitus Huonder hat offensichtlich keiner und keine von ihnen. Noch immer führen sich einige Vertreter der Zürcher Kantonalkirche auf, als sei diese ein eigenes Lehramt und das duale System ein Glaubensgut. Selbstbewusst fordern sie Mitsprache und Reformen ein, über die eigentlich nur ein weltweites Bischofskonzil entscheiden kann. Dies mit viel medialem Getöse sowie lautstarken Wortmeldungen, auch aus den Reihen der Seelsorgenden, denen Loyalität zur Kirche und Verbundenheit zur traditionellen Lehre nicht mehr viel bedeutet und die eigentlich eine ganz andere Kirche möchten.

Man fühlt sich gerade wieder in diesen Tagen fatal an die Vorgänge um Bischof Wolfgang Haas erinnert, wo Demonstrationen und inszenierte Kampagnen, garniert mit gegenseitigen Brüskierungen und Beleidigungen, an der Tagesordnung waren.

Dass sich Bischof Peter Bürcher aktuell nicht zu einem Gespräch zwingen lassen möchte, in dem die allseits bekannten Positionen wieder ausgetauscht werden sollen, ist eigentlich für jeden Aussenstehenden nachvollziehbar. Welchen Sinn und Zweck sollten diese Gespräche auch haben, wenn der Administrator eines Bistums ja gar keine Entscheidungen treffen darf, die einem neuen Bischof zu starke Vorgaben machen würden. Mit der Ergebnislosigkeit eines solchen Gesprächs ist der nächste mediale „Shitstorm“ damit schon vorprogrammiert. Bischof Peter Bürcher ist in den kommenden Monaten viel Nervenstärke zu wünschen!

Mit Kommunikation gemeinsam vorangehen

Unser Bistum wird auch weiterhin keinen guten Weg gehen, wenn es nicht zu einer Umkehr auf beiden Seiten kommt. Die einen müssten akzeptieren, dass ein Bischof nicht der Geschäftsführer eines Bistums ist, sondern jemand mit Leitungsgewalt, dem zuallererst die Einheit der Kirche anvertraut ist, und dem Loyalität und Solidarität zu schulden sind. Und die andere Seite, vor allem der neue Bischof von Chur, mitsamt seinen Mitarbeitern, müsste einsehen, dass ohne Kommunikationsbereitschaft und Dialogfähigkeit die Menschen heute nicht mehr zu gewinnen sind. Auch wenn dies manchmal sehr mühselig sein kann. Aber dies schliesst ja eine klare Haltung und die Treue zur Botschaft Christi nicht aus.

Falls aber zu dieser Kehrtwende niemand bereit ist, ist es wohl besser, dass unser Bistum (noch) keinen Bischof hat!

9 Antworten zu “Warum es gut ist, (noch) keinen Bischof zu haben

  1. Lieber Matthias
    Brilliant analysiert, geschrieben und genau auf den Punkt gebracht. Wir hoffen, dass sich irgendwann in dieser Sache eine gute personelle Lösung finden wird.
    Mit herzlichem Gruss
    Patrik & Sändi Albert

  2. Danke, Matthias, für diesen ausgewogenen und ehrlichen Artikel zu unserer Bischofskrise.

    Irgend einmal muss es doch möglich sein, einen versöhnlichen, von unseren christlichen Werten getragenen, gemeinsamen Weg für unser Bistum zu finden !

  3. Lieber Herr Diakon Westermann
    Vielen Dank, dass Sie dieses Thema aufgegriffen haben. Dass unsere Diözese heute – fast vier Jahre, nachdem Bischof Vitus Huonder das offizielle Rücktrittsalter erreichte – noch keinen Bischof hat, ist in der Tat ein öffentliches Ärgernis.
    Die Gründe dafür mögen vielfältig sein. Es greift aber entschieden zu kurz, das duale System der Zürcher Kantonalkirche indirekt dafür verantwortlich zu machen, dass das Bischofsamt immer noch unbesetzt ist.
    Nicht hilfreich ist insbesondere Ihr Hinweis auf die seinerzeitigen „Vorgänge um Bischof Haas“. Als Angehöriger der älteren Generation erinnere ich mich nur zu gut, wie Wolfgang Haas vom ehemaligen Churer Bischof Johannes Vonderach zum Weihbischof mit Nachfolgerecht ernannt wurde, womit die staatsvertraglich verankerten Mitwirkungsrechte des Churer Domkapitels bei der Bischofswahl ausgehebelt wurden. Dass ein so ins Amt gekommener Bischof, dem sowohl das notwendige theologisch-geistliche Format als auch die seelsorgerliche Vertrautheit mit den urbanen Lebensverhältnissen der Zürcher Katholiken fehlten, in breiten Kreisen auf Ablehnung stiess, vermag im Rückblick nicht zu erstaunen.
    Sie beklagen wortreich, dass sich „kein einziger Priester weit und breit findet, der das Amt des Diözesanbischofs übernehmen könnte oder möchte“. Ob dem so ist, muss offen bleiben, da der vom päpstlichen Nuntius Thomas Gullickson geleitete Findungsprozess intransparent ist. Immerhin wäre zu bedenken, dass es im Seelsorgeraum unserer Diözese verschiedene Ordensobere gibt, deren Kommunikationsfähigkeit und theologisch-geistliche Qualifikationen für das Bischofsamt unbestritten sind, die vernetzt zu denken vermögen und die sich als glaubwürdige Hirten bewährt haben. Ob sie überhaupt angefragt wurden, ist unbekannt. Aber vielleicht verfügen Sie über Insiderwissen?

  4. Vielen Dank für die Rückmeldungen zu diesem Thema. Natürlich ist ein Kommentar immer eine persönliche Meinungsäusserung. So war mein Beitrag auch gekennzeichnet. Man kann zu dieser Angelegenheit auch anderer Meinung sein. Nach über 25 Jahren im Kanton und im Bistum, nach unzähligen Kontakten mit Berufskollegen und -kolleginnen und über 15 Jahren im bischöflichen Ratsgremium erlaube ich mir diese Meinung. Unbestritten ist, dass es in der jüngsten Vergangenheit eklatante Fehlbesetzungen auf dem Bischofsstuhl von Chur gegeben hat. Aber auch die andere Seite und alle Opponenten müssen sich fragen lassen, was war und ist ihr Beitrag zur Bischofskrise der Vergangenheit und der Gegenwart. Meine grösste Sorge ist, und dies habe ich artikuliert, dass alle wieder in die gleichen Schützengräben ziehen und ein versöhnlicher Weg für unser Bistum in eine bessere Zukunft verunmöglicht wird.

  5. Empfehlenswerte Lektüre zum Thema:

    NZZ vom 4.12.2020 Seite 9, „Der Mann, der die Churer Bischofswahl platzen liess“.

    Wie kann ein „versöhnlicher Weg“ mit dieser Sabotageaktion an der Bischofswahl gefunden werden?

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