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Notfallseelsorge – Unterstützung in der Trauer Geschrieben am

Pastoralassistentin Esther Stampfer wirkt neben ihrer Arbeit in der Pfarrei mit in der Notfallseelsorge. Im Interview erzählt sie von dieser nicht ganz alltäglichen und teilweise auch sehr belastenden Tätigkeit.

Die persönliche Unterstützung steht im Vordergrund

Frau Stampfer, Sie sind Notfallseelsorgerin. Für uns Laien, worum geht es da genau?

Esther Stampfer

Die Notfallseelsorge ist Teil der Spezialseelsorge und wird von der katholischen und der reformierten Kirche des Kantons Zürich getragen. Sie hilft mit psychosozialer, psychologischer und seelsorglicher Unterstützung Betroffenen eines potenziell traumatischen Ereignisses. Wir arbeiten zusammen mit den Blaulichtorganisationen, also mit Polizei, Rettungsdienst oder Feuerwehr. Gerufen werden wir immer dann, wenn ein aussergewöhnliches Ereignis eingetroffen ist. Zum Beispiel wenn es einen Unfall gab, einen Suizid oder einen plötzlichen Todesfall zuhause. In solchen Extremsituationen, welche die Welt aus den Fugen geraten lassen, kommen wir ins Spiel. Wir kümmern uns um die Hinterbliebenen, Augenzeugen und Angehörigen. Dabei versuchen wir, sie durch Begleitung und Unterstützung zu stabilisieren und das soziale Netz zu aktivieren. Oft helfen wir auch bei organisatorischen Fragen und bei der Abschiednahme. Um dies alles zu gewährleisten, haben wir eine spezielle Ausbildung gemacht, die uns auf solche Situationen vorbereitet hat.

Dann arbeiten Sie demnach in einem Team von einigen Leuten und haben immer wieder Pikettdienst?

Genau, wir sind kantonal in verschiedene Bereiche eingeteilt. Ich arbeite in der Region 2, diese umfasst die Bezirke Hinwil/Meilen/Uster/Pfäffikon. Wir sind insgesamt 18 Seelsorgende im Team, welches ökumenisch aufgebaut ist. Wir können uns zu Beginn des Jahres und nach den Sommerferien die Piketttage einteilen und sichern so, angepasst an unsere Arbeits- und Urlaubszeiten, Tag und Nacht den Pikettdienst. Somit sind wir also als Team rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr erreichbar. Es ist nicht immer leicht, alle Zeiten abzudecken, aber bisher gab es noch keinen vakanten Tag. In unserem Team funktioniert das wunderbar. Sollte ich einmal doch verhindert sein, kann ich den Dienst abgeben oder tauschen. Auch dies klappt immer.

Rituale können in Trauersituationen helfen

Dasein für Menschen in schwierigen Situationen
Dasein für Menschen in schwierigen Situationen

Sie opfern viel von Ihrer Freizeit für dieses Ehrenamt. Ist dieser Pikettdienst nicht auch sehr belastend?

Doch, an manchen Tagen kann es schon belastend sein. Besonders wenn man in der Freizeit unterwegs ist. Denn man muss immer erreichbar und in der Nähe eines Autos sein. Wenn der Anruf der Leitzentrale kommt, muss ich innerhalb von 45 Minuten am Einsatzort sein. Nicht immer einfach, wenn man bedenkt, wie gross unser Gebiet ist. Ich hatte auch schon Einsätze im Turbenthal oder in Winterthur. Je nach Verkehr ist es fast unmöglich, die Sollzeit einzuhalten. Da muss man also schnell am Auto sein und direkt starten können.

Wie kommen Ihnen die richtigen Worte in den Sinn, um einer trauernden Familie in einer solchen belastenden Situation beizustehen?

Dafür gibt es keine vorgefertigten Antworten. Jeder Einsatz ist anders. Wir alle trauern unterschiedlich und oft hängt es auch damit zusammen, in welcher Beziehung man zum Verstorbenen stand und wie es zum Tod kam. Es ist wichtig, zunächst die Situation zu erkennen, behutsam Fragen zu stellen um so festzustellen, was die Hinterbliebenen im Moment brauchen. Glaube und Konfession spielen dabei selten eine Rolle. Ich bin zuallererst als Mensch da, nicht als Theologin. Dennoch kommt es vor, dass gemeinsam gebetet wird oder wir eine Kerze anzünden. Rituale können helfen, das Erlebte besser zu verarbeiten.

Selbstverständlich spielt auch die Erfahrung eine Rolle. Ich habe ja schon zu Studienzeiten in Freiburg mit der Notfallseelsorge angefangen und daher einige Einsätze erlebt. Dennoch ist jeder Einsatz immer wieder eine Herausforderung.

Angst und Unsicherheit begleiten die Trauer

Mit welchen Fragen werden Sie immer wieder konfrontiert?

Die ersten Gedanken drehen sich meistens um das Organisatorische. Zum Beispiel bei einem unnatürlichen Todesfall zuhause. Da ist dann die Kantonspolizei vor Ort. Dann kommt der Arzt zur Untersuchung und irgendwann der Bestatter. Es sind also viele fremde Menschen vor Ort. Es passiert viel und die Menschen haben Angst und sind unsicher. Dann erkläre ich ihnen, was genau passiert und wie es weitergeht. Zum Beispiel den Ablauf bei den Behörden. Erst nach einiger Zeit kommt dann der erste Moment des Trauerns. Dann kommt die Frage nach dem Warum und wie es weitergehen soll. Es macht sich Verzweiflung und Ratlosigkeit breit. Dann höre ich einfach nur zu, ohne Versprechungen oder Phrasen zu machen. Manchmal schweigt man auch miteinander, auch das kann helfen.

Oft kommt die Trauer aber erst dann, wenn wir wieder weg sind. Wir sind ja nur eine Akuthilfe. Daher verweisen wir immer an weiterführende Hilfen, an die sich die Menschen wenden können um ihre Trauer zu bewältigen. Keiner muss mit seiner Trauer alleine sein.

Empathie steht im Vordergrund
Empathie steht im Vordergrund

Gehen Ihnen diese Erlebnisse auch nahe oder schirmt man sich als professionelle Notfallseelsorgerin eher ab?

Es gibt schon Einsätze, da halte ich weinend Angehörige im Arm und weiss auch keinen Rat mehr. Dann weint man eben zusammen und auch das kann helfen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Kinder involviert sind. Das muss man dann auszuhalten. In den meisten Fällen aber kann ich die Ereignisse ganz gut verarbeiten. Es gilt bei uns der Grundsatz der Empathie. Ich fühle mit der Person, aber es ist nicht mein Schmerz. Ich teile meine Fürsorge, ohne mich zu sehr persönlich darauf einzulassen.

Das Team ist eine wichtige Stütze

Gibt es auch schöne Seiten der Notfallseelsorge?

Ja, sonst würde ich das ja nicht machen! Viele Menschen sind dankbar und schätzen die entgegengebrachte Hilfe. Auch die Tatsache, dass man für andere Menschen da sein kann, wenn man gebraucht wird, ist ein Aspekt, warum ich diesen Dienst gerne tue. Denn mehr christliche Nächstenliebe kann ich nicht geben, als in solchen Momenten. Die Notfallseelsorge gehört zum Kernauftrag der Kirche.

Aber auch das Zusammensein im Team und die Fortbildungen, beispielsweise bei der Feuerwehr, machen Spass und ich kann viel lernen.

Wie verarbeiten Sie unschöne Bilder oder Situationen?

Es gibt oft furchtbare Bilder und den Anblick eines Toten vergisst man nicht so schnell. Aber mit der Zeit lernt man das. Bei uns im Team gibt es die Möglichkeit zur Supervision. Auch unsere Regionalleitung ist immer ansprechbar. Ansonsten bespreche ich die Fälle auch oft mit engen Freunden, das hilft ungemein. Einmal alles rauslassen und dann kann ich auch loslassen. Wenn ich das nicht könnte, würde ich diesen Dienst wohl nicht mehr leisten.

Der Tod gehört zum Leben

Hat sich Ihre Einstellung zum Tod, und dem was danach folgt, durch Ihre Erfahrungen verändert?

Notfallseelsorge - Unterstützung in Trauer
Notfallseelsorge – Unterstützung in Trauer

Nein, eigentlich nicht. Der Tod gehört zum Leben dazu und wir Menschen haben nicht darüber zu entscheiden, warum und wieso etwas geschieht, was nicht in unserer Macht liegt. Wir sind technisch zwar so fortgeschritten, dass wir vieles hinauszögern können, aber am Ende entscheidet allein ER, wann wir gehen.

Selbstverständlich kommt oft die Frage nach dem Warum. Denn die gefühlte Ungerechtigkeit über den plötzlichen Tod eines geliebten Menschen ist immer wieder präsent. In den Einsätzen sind dies die schwersten Momente. Ich kann da leider keine Antwort geben. Diese Unwissenheit gilt es zu ertragen. Das fällt mal leichter, mal schwerer. Es liegt nicht in meiner Hand über das Warum und Wozu zu urteilen. In solchen Momenten wird man mit der eigenen Machtlosigkeit konfrontiert.Das ist nur schwer auszuhalten. Helfen kann dann der Glaube und die Hoffnung auf ein Leben danach, auf ein Dasein in der Nähe Gottes, erlöst von allem irdischen Schmerz.

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