Eine Woche im Kloster bei den „Monastischen Gemeinschaften von Jerusalem“ in Köln Geschrieben am

Für Diakon Matthias Westermann sind die Ostertage eine ganz besondere Zeit. Gerade auch weil es eine hektische Zeit voller Vorbereitungen auf das Osterfest ist, hat er sich entschlossen, einige Tage in einem Kloster in Köln zu verbringen. In seinem Bericht gibt er einen Einblick in den klösterlichen Tagesablauf und erzählt, was ihn ganz besonders berührt hat.

Matthias Westermann berichtet

Kirchen sind immer wunderbare Räume der Stille. Besonders frühmorgens. Auch in Köln, mitten im Partyviertel der Altstadt. Die Brüder und Schwestern sitzen auf ihren Plätzen im Kirchenschiff der Basilika Gross St. Martin. Der Morgenlärm der Grossstadt ist weit entfernt zu hören. Das monotone Tuckern der Rheinschiff-Dieselmotoren. Das Geräusch einer Reinigungsmaschine, die den Müll der Nacht um Kirche und Kloster wegwischt. Sonst kein Laut. Die romanische Kirche ist spärlich erleuchtet. Ihre Grosszügigkeit und Schönheit zieht einen so noch mehr in ihren Bann.

Plötzlich geht das Licht an. Mehrstimmige Gesänge erfüllen den Kirchenraum, die sofort eine beinahe hypnotische Wirkung entfalten. Männerstimmen und Frauenstimmen wechseln sich ab. Junge Gesichter bilden die Mehrheit unter den Brüdern und Schwestern, konzentriert und andächtig. Beinahe eine Stunde geht das so, Lesungen und Stille unterbrechen immer wieder die Gesänge. Am Anfang ist es nicht einfach für mich zu folgen, zu kompliziert der Wechsel mit mehreren Büchern, zu anspruchsvoll für den Ungeübten die Melodieformen. Dennoch fühle ich mich am Ende wie aufgeladen, so dicht und geistlich ist die Atmosphäre.

„Ich komme immer wieder gerne hierher“

Mein Gedeck

Danach trifft man sich zum Frühstück. Die Brüder sind unter sich. Wenn auch Brüder und Schwestern gemeinsam beten, das Leben und Wohnen ist getrennt. Die Stille setzt sich auch bei Tisch fort. Anschliessend wird aufgeräumt, jeder Handgriff sitzt, nur das Nötigste wird geredet. Die meisten Brüder sind mir noch von meinem Aufenthalt vor zwei Jahren bekannt. Wie schon damals in meiner Sabbatzeit bin ich auch jetzt herzlich aufgenommen in eine Gemeinschaft, die wie kaum eine andere für die hoffnungsvollen Aufbrüche der letzten Jahrzehnte in den kirchlichen Ordensgemeinschaften steht. Mönche wollen sie sein, mitten in der Wüste der Stadt, und das Leben der Städter teilen. Das tun sie ganz konkret, indem sie halbtags in der Stadt arbeiten gehen, als Lohnempfänger. Und dies nicht in kirchlichen Berufen, so wie sie auch keine Pfarreien oder kirchliche Werkle leiten wollen. Nein, sie sind tätig als Hauswart, als Krankenpfleger, als Verkäuferin, als Lehrerin.

„Ein ganz einfacher und doch sehr spezieller Lebensstil“

Das Kloster in Köln

Den Rest des Tages leben sie in der kleinen klösterlichen Gemeinschaft, seit 2009 auch in Köln. Im Mittelpunkt des Lebens steht die feierliche gesungene Liturgie, die in der „Wüste der Stadt“ Quelle des Lebens, wie eine Oase sein soll. Ihr Lebensstil ist einfach und bescheiden, ein Auto oder irgendeinen persönlichen Besitz haben sie nicht. In ihrem Kloster, ein modernes Bürogebäude der Erzdiözese Köln, leben sie nur zur Miete. Mal ein Theater besuchen, einfach ins Kino gehen oder eine Pizza essen gibt es nicht. Ihre Zimmer sind klein, einfach möbliert, an der Wand ein paar Fotos, im Regal ein paar Bücher, schlichte Privatheit.

„Unser Kloster ist das einzige Haus der Gemeinschaft mit einem Aufzug“ so meint Sr. Edith schmunzelnd. Ich treffe sie, die Priorin der Schwesterngemeinschaft, zu einem Gespräch in der Wohnung der Schwestern. Warum sie eigentlich nach Köln gekommen sind, will ich von ihr wissen. Sie entgegnet: „Weil uns der Bischof von Köln in seine Stadt gerufen hat“. Kennengelernt hatte dieser die Brüder und Schwestern auf dem Weltjugendtag und war sofort von der aus Frankreich stammenden neuen Ordensgemeinschaft fasziniert.

„Es ist eine Gemeinschaft, die viel miteinander verbindet“

Wie bei fast allen anderen Orden der Kirche steht auch am Anfang der „monastischen Gemeinschaften von Jerusalem“ eine charismatische Gründerfigur. In diesem Falle ist es der 2013 verstorbene französische Priester Pierre-Marie Delfieux. Mitte der Sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zieht sich der Pariser Studentenpfarrer in die Wüste Algeriens zurück. Er lebt dort als Eremit und im engen Kontakt mit den „Kleinen Brüdern Jesu“ des Charles Foucauld. Nach Paris zurückgekehrt, will er die Spiritualität der Einsamkeit der Wüste in die Herzen der Städte zu tragen.

1975 beginnt im Auftrag des Bischofs in einer Pariser Pfarrkirche mit einigen gleichgesinnten Männern das Ordensleben. Die Gründung einer Schwestergemeinschaft folgt ein Jahr später. 1978 verfasst er die Ordensregel der Gemeinschaften, das sogenannte „Lebensbuch“. Seine Ordensgemeinschaft soll das mönchische Leben mit einem Leben in der Stadt verbinden. Die Gemeinschaft, zu der heute über 200 Brüder und Schwestern, darunter einige wenige Deutsche, gehören, hat unter anderem Niederlassungen auf dem Mont St. Michel, in Paris, Vezelay, Strassburg, Brüssel, Rom, Warschau und Montreal.

„Es tut gut, die Stille ganz bewusst geniessen zu können“

Ein Ort der Stille

Inzwischen ist Mittag geworden. Wieder treffen sich alle in der Kirche. Die Brüder und Schwestern sind nicht allein. Etliche Gläubige haben sich eingefunden, um in der Mitte des Tages im Gebet und Gesang neue Kraft zu schöpfen. Auch einige Touristen sind da und verfolgen staunend das ungewohnte Geschehen. Manche verlassen schnell wieder die Kirche. Stille macht den modernen Menschen von heute offensichtlich verlegen, und normalerweise versucht er sie zu fliehen. Beim Mittagessen wird aus der Zeitung oder aus einem Buch vorgelesen.

Das von den Brüdern abwechselnd zubereitete Essen ist einfach, aber schmackhaft. Die ganze Woche wird es aus Rücksicht auf die Fastenzeit kein Fleisch und keinen Alkohol geben. Danach versammeln sich alle zum Kaffee im Wohnzimmer. Ein angeregtes Gespräch entwickelt sich und ich muss Auskunft geben zum kirchlichen System in der Schweiz. Am Nachmittag ist Zeit für die Hausarbeit. Der Einkauf wird erledigt. Die Kirche, romanisches Kulturgut, muss betreut werden. Eine Jugendgruppe kommt auf Besuch. Unaufdringlich, aber ganz klar geben die Brüder und Schwestern ein starkes christliches Zeugnis.

Am Abend gehen das Gebet und die Feier der Eucharistie Hand in Hand. Wie immer mit einer Zeit der Stille im Voraus, deren Wert ich mehr und mehr schätze. Wie oft laufe ich zuhause hektisch und ohne innere Sammlung in den Gottesdienst. Hier ist es anders. Hier nimmt man sich Zeit, auch für die Riten der Eucharistie, bei der ich jeden Abend als Diakon und mitten unter den Brüdern und Schwestern mitwirken darf. Die Kirche ist an einem normalen Werktag gut gefüllt mit Gläubigen. Der von den Brüdern und Schwestern anrührend weitergegebene Friedensgruss und die Kelchkommunion gehören wie selbstverständlich dazu. Prior Jean Tristan, ein Mann mit feinem Humor und väterlicher Ausstrahlung, verzeiht grosszügig, dass ich mich in die Liturgie der Gemeinschaft erst einfinden muss.

„Zwei Welten, die aufeinander treffen“

Das Kloster inmitten der Stadt

Nach dem Abendessen ist Chorprobe für die Brüder und Schwestern. Was im gemeinsamen Gottesdienst gut klingen soll, muss auch gemeinsam eingeübt werden. Auch dazu bin ich eingeladen. Welch ein Kontrast, denke ich, als ich danach mein Zimmer betrete. In der Nachbarschaft der klösterlichen Wohnungen der beginnende Partylärm mit Musik aus den Bierkneipen, und hier die Gesänge für den kommenden Fastensonntag. Es ist wohl der besondere Auftrag dieser Gemeinschaft, diese Spannung auszuhalten und fruchtbar zu machen. Dies darf ich an der eigenen Person in dieser Woche so eindrücklich erleben. Ich hoffe, nicht zum letzten Mal!

„Öffne Dich der Stadt. Du hast dich entschieden, in ihr zu leben; so nimmst du auch ihre eigenen Rhythmen und Gesetze, ihre Fragen und Leiden, ihre Probleme, aber auch ihre Heiligkeit an. Versuche (…) eine Oase des Gebetes und des Friedens zu schaffen, und mit den Städtern zu teilen.“(Aus dem „Lebensbuch“ der Gemeinschaft)