
Die Diagnose «Demenz» bedeutet einen gravierenden Einschnitt in der Biografie und im Familiengefüge eines Menschen. Es stellen sich existentielle, soziale, häufig auch religiöse und spirituelle Fragen. Seelsorgende und Sozialarbeitende im pfarreilichen Umfeld sind mit herausfordernden Fragen und Themen konfrontiert. Aus diesem Grund besuchte Diakon Matthias Westermann Weiterbildungstage mit dem Fokus „Seelsorge für Menschen mit Demenz“.
Ich frage mich, ob meine Zeit in diese Fortbildung sinnvoll investiert ist?

Es gibt Fortbildungsveranstaltungen (nicht nur im kirchlichen Bereich), nach deren Besuch man sich fragt, was man eigentlich gelernt hat und ob man die dafür eingebrachte Zeit nicht sinnvoller hätte verwenden können. Die Fortbildungstage «Demenz und Seelsorge», die ich im vergangenen Monat in der Paulus-Akademie Zürich absolvierte, gehörten zum Glück nicht zu dieser Kategorie. Ganz im Gegenteil, denn sie verschafften mir Einblicke in eine Krankheit, mit der ich im seelsorgerlichen Alltag immer wieder in Berührung komme, die mir aber bis anhin fremd blieb und mich oft fragen liess, ob mein Umgang mit Demenzerkrankten angemessen und richtig sei.
Den anwesenden beinahe zwanzig Kolleginnen und Kollegen, in der Mehrzahl Pfarreiseelsorger wie ich, ging es wohl genauso. Sie erhofften sich durch diese Tage einen Kompetenzgewinn für die Arbeit mit Demenz-Erkrankten und deren Angehörigen. In der Vorstellungsrunde machte mich betroffen, wie viele von ihnen im eigenen Umfeld bei Ehepartnern, Eltern oder Geschwistern mit dieser Krankheit umgehen müssen.
Schon zu beginn erhielt ich einen interessanten Einblick in eine mir noch fremde Krankheit
Einen anderen Blick auf die Thematik nahm dann der Professor für Praktische Theologie. Er fasste in ein Bild, was Seelsorge in dieser Situation leisten muss, sie soll nämlich gleichzeitig Begleitung in das «Land des Vergessens» wie Begegnung auf rituell erschlossenen «Inseln der Erinnerung» sein. Wichtig war ihm die Botschaft: Auch Demenzkranke in ihrer Hilflosigkeit sind Schwestern und Brüder.
Ich mache mir Sorgen, dass ich korrekt mit den Erkrankten umgehe
Nach diesem theoretischen Einstieg waren die beiden folgenden Tage stark praxisorientiert.
Wie begegnen wir einem demenzkranken Menschen, welche Haltung ist hilfreich, wie kann Kommunikation aussehen, wenn Worte nicht mehr viel Sinn machen. Eine Einführung in die sogenannte «Basale Stimulation», ein körperbasierter «Dialog ohne Worte», durch eine Pflegefachfrau, waren faszinierende Einblicke, wie Beziehung zu den Erkrankten doch gelingen kann. Eine Arbeitseinheit nahm auch die seelsorgerliche Begleitung der Angehörigen in den Blick. Diese erfahren die Diagnose und den Krankheitsverlauf als wirkliche Katastrophe, da es durch den Verlust der Persönlichkeit eines geliebten Menschen auch zum Verlust der gemeinsamen Biografie, von Kontakten und Beziehungen kommt. Nicht nur der Patient gerät in existentielle Not, sondern auch der ihm nahestehende Mensch. Und wir haben ihn in der Seelsorge auch in unserer Pfarrei leider viel zu wenig im Blick.
Ich werde gestärkt und mit vielen neuen Ideen meine Arbeit auf den Demenzstationen angehen
Den Abschluss der Fortbildung bildete die «Praxiswerkstatt Gottesdienst». Alle Teilnehmenden brachten ihre Erfahrungen ein, wie Gottesdienste mit Demenzkranken gestaltet werden können. Ich bin mir sicher, gerade von dieser Arbeitseinheit habe ich profitiert und kann diese Impulse unmittelbar in die Praxis, bei den Gottesdiensten auf den Demenzstationen der Altersheime umsetzen. Ich bin sehr froh, dass ich mir für diese Fortbildung Zeit genommen habe und Zeit nehmen durfte.
Matthias Westermann, Diakon